Wir über uns

Aus der Chronik des Arbeiterunterstützungsvereins Bensberg Ehrenfeld

 

Seit der Gründung des Arbeiter Unterstützungsvereins Bensberg Ehrenfeld, kurz Stutz genannt, im Jahre 1896 haben sich die Lebensverhältnisse in unserer Heimat tiefer und schneller verändert als jemals im gleichen Zeitraum der Geschichte zuvor. 

Im Jahre 1896 waren schon 25 Jahre seit der Gründung des Deutschen Reiches, seit dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges vergangen, und das Krankenversicherungsgesetz mit seiner Beitragspflicht für fast alle gewerblichen Arbeitnehmer war als eines der Kernstücke der Bismarckschen Sozialgesetzgebung von 1883 seit 13 Jahren in Kraft. Kinderarbeit war noch weit verbreitet, die Arbeitszeit an sechs Tagen in der Woche lag bei zehn bis elf Stunden  pro Tag. Die Arbeiter, sehr häufig beschäftigt in einem der damals noch in größerer Zahl existierenden umliegenden Grubenunternehmen, hatten außerdem oft stundenlange Fußmärsche von und zu Ihren Arbeitsplätzen. Wahrscheinlich angeregt von dem Beispiel aus Nachbarortschaften wurde im Zuge des Aufbruchs der Deutschen Arbeiterbewegung in Bensberg Ehrenfeld ein Selbsthilfeverein gegründet.

 

Der Stutz war eine regelrechte Krankenversicherung und Sterbekasse. Seine Leistungen bestanden in der Zahlung von Krankengeld im Krankheitsfalle und von Sterbegeld. Unter bestimmten Voraussetzungen wurden auch noch die Beerdigungskosten übernommen. Die Arbeiter der damaligen Zeit kannten noch keine Lohnfortzahlung, weder von Arbeitgebern noch von der Krankenkasse. Sie konnten sich bei dem Arbeiterunterstützungsverein gegen Lohnausfall bei Krankheit versichern. Insofern hatte der Verein als Selbsthilfeeinrichtung den Charakter etwa einer heutigen Tagegeldversicherung, nicht zu verwechseln mit der Versicherung für den Heilungskostenaufwand, also für Arzneien, Arztrechnungen usw., für die es die Ortskrankenkassen oder ihre Vorläufer gab.

 

Der Lohnersatz bei Krankheit - etwa 50 Pfennige am Tag – finanzierte der Verein aus einer Kasse, die immer 60 Mark enthalten sollte. Die laufenden Einnahmen der Kasse bestanden aus den Eintrittsgeldern der Mitglieder, ihrem monatlichen Beitrag von 30 Pfennig, den bei jeder Gelegenheit erhobenen Strafgeldern und den Zinsen, die der Verein mit der Anlage der Mittel verdiente, soweit sie über den erwünschten Kassenbestand von 60 Mark hinausgingen. Die Beschränkung des Kassenbestandes auf 60 Mark hatten den Sinn, möglichst große Teile der Mittel des Vereins bei einer Sparkasse, hypothekarisch, in Wechseln oder in gesicherten Darlehen an die Vereinsmitglieder anzulegen. 

 

Die Höhe der Mittel, die der Verein insgesamt als Vermögen zu bilden hatte, war in einem sogenannten Reservefonds festgelegt. Danach hatte der Verein außer dem Betrag in der Kasse einen Dehnungsstock, wie die Versicherungen den Reservefonds heute nennen würden, in Höhe von neun Mark pro Mitglied zu bilden. Überstiegen die Mittel diese Maßzahl, dann durften die Beiträge bis zu einer bestimmten Grenze ermäßigt oder die Unterstützungsleistungen erhöht werden. Neben dieser Tagesgeldversicherung nach dem sogenannten Deckungsstockprinzip hatte der Verein eine Sterbekasse, die versicherungstechnisch ausgedrückt nach dem Umlageverfahren arbeitete. Denn bei jedem Sterbefall mussten die Mitglieder 20 Pf. bezahlen. Das zusammengetragene Geld stand der Person zu, die den Verletzten bis zuletzt gepflegt hatte, nicht den Erben. Das war eine kluge Regelung, weil sich dergestalt alleinstehende Vereinsmitglieder wenigstens ein Minimum an letzter Pflege sicherten. 100 Jahre später sollte ein Bundesminister für Gesundheit den gleichen Gedanken aufgreifen und die sog. Pflegeversicherung einführen. Bei Mittellosigkeit der Verstorbenen übernahm der Verein auch die Begräbniskosten und lies ihnen eine Messe lesen. 

Zu den allgemeinen  Zielen des Arbeiterunterstützungsvereins gehörten „ die Beförderung tüchtiger Berufskenntnisse und guter Sitten mit den Mitteln von Besprechungen, Vorträgen, geeigneten Zeitungen und anderer Schriften“. Unsere Vorfahren wussten also sehr wohl, wie sich der Einzelne in der Anlage seines Lebens aus der Verstrickung von niedrigem Einkommen, Eigentumslosigkeit, Berufsrisiko und nicht selten drückender Not befreien konnte, nämlich  durch Weiterbildung und berufliches Können.

Wir sollten uns heute an den Gründern des Arbeiterunterstützungsvereins ein Beispiel nehmen. Sie haben nicht zunächst nach dem Staat gerufen. Sie haben die Situation bedacht und mit ihren eigen Mitteln selbständig ein wirksames Instrument der Selbsthilfe aufgebaut und viele Jahrzehnte unter großen Leistungen erhalten. Die Solidarität nicht vor allem der Starken hat viele vor dem Äußersten der Not bewahrt.

Der zunehmende Ausbau von staatlichen Einrichtungen der sozialen Sicherheit verschob die Aktivitäten des Vereins zunehmend auf die Gebiete von Geselligkeit und gemeinsamen Betätigungen. So hat es zwischen den beiden Weltkriegen eine aktive Theatergruppe im Verein gegeben. Jedoch war die Solidarität der Mitglieder untereinander den Nationalsozialisten ein so starker Dorn im Auge, das sie 1932/33 die Auflösung des Verein beschlossen und gegen den Wiederstand der Mitglieder durchsetzten. 

Die Fahne wurde von treuen Mitgliedern versteckt und ist bis heute erhalten. 

Um sie scharte sich 1957 in der Gaststätte Kuckelberg, ein Kreis von 7 alten Mitgliedern, die am 30.09.1957 die Wiedergründung beschlossen.

 

In der Gründungsversammlung  am 13.10.1957 wählten die Anwesenden als: 

1. Vorsitzender    Johann Fußbroich

2. Vorsitzender    Josef Herkenrath

1. Kassierer         Johann Steinbach

2. Kassierer         Heinr. Frangenberg sen.

Fahnenträger       Peter Schmitz, Heinr. Frangenberg jun.,

 

Als Ziele des Vereins sollte in erster Linie die Geselligkeit gepflegt werden. Ferner wollte man eine Theatergruppe bilden. So wie es früher war, bei Krankheit eines Mitgliedes Krankengeld zu zahlen wurde Abstand genommen.

Die Aufnahmegebühr betrug DM 2,00. Der Monatsbeitrag  DM 1,00.

 

Ein aktives Mitglied schrieb im Juli 1961 aus der Kur an den 1.Vorsitzenden des Vereins:

Bad Neuenahr den 16.07.61

Wehrte Vereinsmitglieder!

Die besten Grüße von hier sendet euch August. Hier ist es sehr schön, aber hier ist es sehr teuer. Hier kann man jeden Tag 5 DM gebrauchen, dann hat man sich noch nichts erlaubet. Ja hier ist es wie in einer Kaserne und hier heißt es gesund werden oder sterben. Ich bekomme jeden Tag 2 Spritzen und 10 Tabletten. Morgens gibt es Marmelade mit Gebäck und Nachmittags Gebäck mit Marmelade. Mittag und Abendessen ist auch nicht vombesten. Habe am Dienstag schon 14 Tage um und werde auch noch 4-6 Wochen hier bleiben müssen. Sonst ist alles beim alten, und recht viele Grüsse an alle. 

Es grüßt euch recht herzlich

August

 

In einem späteren Brief hieß es:

Lieber Hännes!

Ist es nicht möglich das ich 50 DM aus der Kasse haben kann, die ich dann nach der Kur zurück gebe. Ich weis nicht wo ich sonst was bekommen könnte, denn hier ohne Geld ist grausam. Wenn es geht dann schicke es mir doch sofort.

Gruß August.....

 

Mit den Jahren besuchten die Mitglieder des Stutz auch bedürftige Mitbürger, so zum Beispiel im Dezember 1964 Heiminsassen des Pflegeheims im Kardinal Schulte Haus. 

Auf der Jahreshauptversammlung 1971 beschloss man alle Mitglieder die erkrankten zu besuchen und mit einem Geschenk zu erfreuen. Mitglieder, die vom Arzt eine Kur verschrieben bekamen, sollten zum Kuraufenthalt einen geringen Geldbetrag erhalten. Im Todesfall wurde den Angehörigen eines Mitgliedes ein Sterbegeld gezahlt.

Im Dezember 1972 fand der erste Altentag statt. Bürger aus den Ortschaften Löhe, Ehrenfeld, Herweg und Groß Hohn, die über 65 Jahre alt waren nahmen teil.  Der Stutz und der Schützenverein organisierten diesen Altentag zusammen. Die Kosten wurden zu 2/3 vom Schützenverein und 1/3 vom Stutz getragen.

Ab Anfang 1974 traf man sich an jedem 1. Sonntag im Monat zu  einer Stammtischrunde im Vereinslokal Kuckelberg.

 

 

Der Verein hatte gleichzeitig 14 inaktive Mitglieder.

Ab 1975 fanden jedes Jahr im Herbst und später in der Weihnachtszeit Seniorennachmittage unter alleiniger Leitung des Stutz statt. Bei diesen Veranstaltungen lud man Senioren aus Herweg, Ehrenfeld, Löhe und Groß Hohn ab dem Rentenalter zu Kaffee und Kuchen in den Schützenhof ein. Die Frauen der aktiven Mitglieder und auch andere Freiwillige backten Kuchen und halfen aktiv an diesem Nachmittag.

Die Mitglieder bemühten sich immer um ein geselliges Programm. Es gab abwechselnd Tanzgruppen, Gesangsdarbietungen, Orgelspieler, Akkordeonorchester,  Diavorträge,  Vorträge zum Bergbau, Gesangsvereine, Kinderchöre  usw.  Auch die Frauen der aktiven Mitglieder führten mehrere Jahre kleinere Theater- Sketche auf.

Hervorzuheben ist dass der Gesangsverein Einigkeit Obersteeg ab 1974  ununterbrochen zum Gelingen des Seniorentages beitrug.

In den letzten Jahren kam dann am Schluss der Nikolaus und verteilte an die Senioren gut gefüllte Weihnachtstüten.

 

Die Senioren, die nicht an der Seniorenfeier teilnehmen konnten oder auch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr so mobil waren, erhielten zu Weihnachten Besuch  und ein Geschenk in Form einer wohlgefüllten Weihnachtstüte.    

 

Diese Seniorentage finanzierte man durch inaktive Beiträge, durch Spenden oder durch Überschüsse, die bei internen Veranstaltungen z.B. Kegeln erwirtschaftet wurden.  Auch die Überschüsse aus Sammlungen bei Beerdigungen flossen in die Finanzierung ein. In den 70-Jahren konnte man einige Frauen aus Herweg, Ehrenfeld und Löhe dazu gewinnen bei Todesfällen, in den Ortschaften zu sammeln. Von dem gesammelten Geld wurde bei der Beerdigung ein Kranz (später eine Blumenschale) auf das Grab gelegt. Zu Allerheiligen im darauffolgenden Jahr legten dann Mitglieder des Stutz ein Bukett auf das Grab.   Das überschüssige Geld floss zweckgebunden in die Vereinskasse zur Finanzierung der Seniorentage.  

Personen die länger als 6 Wochen krank waren oder auch im Krankenhaus lagen erhielten Besuch von Vereinsmitgliedern. Sie erhielten ein kleines Präsent oder einen Blumenstrauß .    

Den Frauen, die bei Beerdigungen das Sammeln für den Blumenschmuck übernahmen, dankte der Verein mit einem kleinen Geschenk zu Muttertag. Später lud der Verein als Dankeschön 1x jährlich die Frauen zum Abendessen in den Schützenhof ein.     

Anlässlich des 100-jährigen Vereinsbestehens wurde 1996 ein Dorffest veranstaltet. Der Erlös in Höhe von DM 14.000,00 wurde an die Deutsche Krebshilfe, das Kinderherzzentrum Sankt Augustin und die Kinderklinik Amsterdamer Strasse in Köln gestiftet.

 

Über Jahrzehnte gelingt es den Mitgliedern des Stutz aktiv auf das gesellschaftliche Leben einzuwirken. Vor allem die Aktivitäten für Senioren stießen immer wieder auf breite Zustimmung. 

Mögen sich auch in Zukunft immer wieder Aktive finden, die alte Traditionen mit modernen  Inhalten fortführen, damit der Gedanke der Vereinsgründer  auch in Zukunft weiterlebt.

Die Stammtischrunde hatte es sich zur Aufgabe gemacht aus dem Arbeiterunterstützungsverein  unter Beibehaltung des alten Namens einen Bürgerverein für den Höhenrücken zwischen Moitzfeld und Immekeppel zu machen. 

 

Der neue Stutz ab 1975 

Am 16. Juli 1975 verabschiedeten die Mitglieder des Arbeiterunterstützungsvereins eine neue Satzung und der Stutz erhielt eine Eintragung in das Vereinsregister. Zu diesem Zeitpunkt zählte der Verein 23 aktive Mitglieder.

 

Der Verein hatte gleichzeitig 14 inaktive Mitglieder:

Hans Kohlgrüber, Hans Eisele, Peter Kuckelberg, Peter Baruch,

Helmut Eikermann, Andreas Roldan, August Kirsch, Kurt Meygen, Hans Horn, Andreas Brühl, Jakob Gierlich -Ehrenfeld, Jakob Gierlich -Steinacker, Jacki Bornheim, Peter Dittmer, Prof. Dr. Adenauer, Wolfram Heider, Klaus Farber, Heinrich Frangenberg, Eduard Worringen, Bernd Kohlgrüber, Addi Schwirten, Christel Heider.

 

 

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